Gleichstellung in Osteuropa - Theorie und Praxis

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McPhail kennt die Erfahrungen vieler Frauenorganisationen in den Mitgliedsländern: Rechtsanwälten, Wissenschaftlern und Institutionen sind die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten für die Genderpolitik der EU unbekannt. Anträge und Verfahrenswege für Projektinitiativen - zum Beispiel im Rahmen des Strukturfonds - sind oft kompliziert und die nationalen Regierungen zeigen oftmals keinerlei Initiative bei der Umsetzung des Grundrechts auf Gleichstellung. Vor allem bei der Entwicklung in den Transformationsländern im Osten Europas sind es meist die Frauen, die auf der Strecke bleiben. Auf dem Arbeitsmarkt haben sie keine oder die schlechteren Jobs, sie werden schlechter bezahlt, haben weniger Einfluss und sind an der politischen Gestaltung seltener beteiligt.

Dabei hatte die EU-Kommission im März 2006 einen Fahrplan, eine "Gender-Roadmap" verabschiedet, die auch eine Vielzahl neuer Instrumente, gerade für die neuen Mitgliedsländer, beinhaltet. Die Europaparlamentarierin Lissy Gröner, zugleich Mitglied im Frauenrechts- und Gleichstellungsausschuss, appelliert daher an die europäischen Frauennetzwerke, sich für die konkrete Anwendung einzusetzen. Bei der Umsetzung der Richtlinien sei viel Aufmerksamkeit gefordert und bei den nationalen Behörden darauf zu drängen, "erstens Vorschläge mit einzubringen und auf der anderen Seite Signale zu geben, wenn Gender Mainstreaming nicht angewendet wird oder wenn Frauenförderung an den Rand gedrängt wird."

EU-Maßnahmen nicht nachhaltig

Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: EU und Gleichstellung - Mehr als nur eine Hoffnung?

Erste Erfolge bei den Gleichstellungsbemühungen sind in Polen, Bulgarien und der Türkei zu erkennen. Im Prozess der Beitrittsgespräche wurden viele diskriminierende Gesetze zugunsten neuer Rechte abgeschafft und mancher nationale Aktionsplan zur Verbesserung der Chancengleichheit verabschiedet. Dann aber endeten die Aktivitäten der EU, wie Pavlina Filipova vom bulgarischen Frauennetzwerk feststellt: "Es gab keine großen Bemühungen der EU zur Implementierung. Wir sind sehr gut, wir haben alle Gesetze, alle Programme - unterschrieben von der Regierung, aber das alles blieb bislang nur ein Stück Papier."

Die Lücke zwischen EU-Recht und Umsetzung kennt auch Marcel Seyppel aus Köln, ein Berater und Experte für EU Erweiterungsprogramme. Als "Projektrealisator" erlebt er nicht nur die bürokratischen Hürden bei der Durchführung von EU-Projekten, sondern oftmals auch die fehlende Bereitschaft nationaler Behörden die Genderperspektive umzusetzen. Er plädiert dafür, in den zuständigen EU-Gremien erneut Instrumente zur Kontrolle und Durchsetzung der EU-Richtlinien zu überprüfen: "In Serbien gibt es erheblichen Bedarf. Es gibt mittlerweile drei Frauenhäuser in Belgrad, von denen eines gerade wieder geschlossen wird. Da ist eine Lobby auf europäischer Sicht nicht existent."

Große Chance: Die Ratspräsidentschaft von Bundeskanzlerin Merkel

Große Chancen in der ab 2007 geltenden EU-Programmpolitik sieht dagegen die Europaparlamentarierin Elisabeth Schroeter von der Fraktion der Grünen. Gerade die Möglichkeiten und Anwendung von Gender-Indikatoren und Beobachtungsinstrumenten sowie deren Finanzierung durch die EU könnten den Frauenorganisationen viele effiziente Handlungsmöglichkeiten bieten. Und dies nicht nur in den Beitrittsländern, sondern auch dort, wo sich die Regierungen um einen Beitritt bemühten. Die konkrete Rückmeldung über die Defizite der Gleichstellung auf nationaler Ebene, auch im Umgang mit dem eigenen EU-Personal, könne solche Instrumente effizient machen.

Für die Nutzung der Instrumente spricht sich auch die Leiterin der Abteilung Gleichstellung im deutschen Bundesfamilienministerium, Eva Maria Welskop-Deffaa, aus. Zwar räumt sie ein, dass die Anwendung der vielfältigen EU-Instrumente kompliziert sei: "Aber es ist die einzige Chance, um mitzugestalten und die EU nicht als Geldgeber, sondern als Vertragsgestalter für die Frauen zu nutzen."

Wie die Bundesregierung die europäischen Frauennetzwerke dabei unterstützen will, kann Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer im Januar beginnenden Ratspräsidentschaft zeigen. Die bessere Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben, die Überwindung der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen, die Überwindung überkommener Rollenleitbilder und die Stärkung der Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund - diese Themen will die deutsche Ratspräsidentschaft ab Januar 2007 auf die Agenda setzen. Es sind zugleich Themen der informellen Gleichstellungsministerkonferenz, die für Mai 2007 geplant ist.

Ulrike Mast-Kirschning


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