Text 1. Kirchen und Religionsgemeinschaften

(gekürzt aus “ Tatsachen über Deutschland ”)

Rund 55 Millionen Menschen, knapp zwei Drittel der Bevölkerung, bekennen sich in Deutschland zu einer christlichen Konfession. 26,6 Millionen sind römisch-katholisch, 26,3 Millionen evangelisch, zwei Millionen zählen sich zu anderen christlichen Gemeinschaften. Das restliche knappe Drittel der Bevölkerung gehört keiner oder einer nichtchristlichen Religionsgemeinschaft wie der muslimischen oder der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland an. Im Grundgesetz sind die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses sowie die ungestörte Religionsausübung gewährleistet. Es gibt in Deutschland keine Staatskirche, also keine Verbindung zwischen staatlicher und kirchlicher Verwaltung und damit keine Kontrolle der Kirchen durch den Staat. Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche ist partnerschaftlich; Grundlage sind neben der Verfassung Konkordate und Verträge. Der Staat beteiligt sich an der Finanzierung bestimmter Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft wie Kindergärten und Schulen.

Die Kirchen sind berechtigt, von ihren Mitgliedern Steuern zu erheben, die in der Regel gegen Kostenerstattung vom Staat eingezogen werden. Angehende Theologinnen und Theologen werden größtenteils an öffentlichen Universitäten ausgebildet; bei der Besetzung der theologischen Lehrstühle haben die Kirchen ein verbrieftes Mitspracherecht.

Christliche Kirchen

Die katholische Kirche in Deutschland ist in sieben Erzbistümer und 20 Bistümer gegliedert. Die Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe – insgesamt über 70 – treffen sich bei den jährlichen Frühjahrs- und Herbstvollversammlungen der Deutschen Bischofskonferenz. Das Sekretariat befindet sich in Bonn.

Die Impulse, die das Zweite Vatikanische Konzil für die Mitwirkung der katholischen Laien in der Kirche gegeben hat, werden von gewählten Vertretungen der Laien umgesetzt. Sie sind mit rund 140 Verbänden und Institutionen im Zentralkomitee der deutschen Katholiken zusammengeschlossen.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist eine Gemeinschaft von 24 weitgehend selbstständigen lutherischen, unierten und reformierten Gliedkirchen. Oberstes Gesetzgebungsorgan ist die Synode, oberstes Leitungsorgan der Rat der EKD. Die Landeskirchen wirken in der Kirchenkonferenz an den Entscheidungen mit. Die evangelische Kirche gehört dem Ökumenischen Rat der Kirchen (Weltkirchenrat) an. Mit der römisch-katholischen Kirche besteht eine enge Zusammenarbeit.

Beide großen christlichen Kirchen haben durch ihr Engagement in Staat und Gesellschaft zum Wiederaufbau demokratischer Strukturen nach 1945 entscheidend beigetragen. An der Wende in der DDR hatten die Kirchen, insbesondere die evangelische Kirche, einen sehr großen Anteil. Unter ihrem Dach fanden sich in der DDR zahlreiche Oppositionsgruppen zusammen, und sie öffnete 1989, wie auch die katholische Kirche, viele ihrer Türen, Zahlreiche Kirchenvertreterinnen und -vertreter der DDR waren Teil der Opposition und spielten in den verschiedenen Gruppierungen der Bürgerbewegung eine wichtige Rolle.

Das soziale und karitative Engagement der Kirchen ist wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Lebens. Ihre Tätigkeit ist unersetzbar in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, bei der Beratung und Betreuung in allen Lebenslagen, in Schulen und Ausbildungsstätten. Große kirchliche Hilfswerke werden aus freiwilligen Spenden der Gläubigen finanziert.

Nach dem Ersten Vatikanischen Konzil (1870) ist das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland entstanden. In ihm fanden sich bei der Gründung 1873 jene Gläubigen zusammen, die aufgrund ihrer Ablehnung der Dogmen der päpstlichen Unfehlbarkeit und der obersten Rechtsgewalt des Papstes über die Kirche exkommuniziert worden waren. Heute gibt es rund 30.000 deutsche Alt-Katholiken in 58 Pfarreien. Darüber hinaus gibt es in Deutschland zahlreiche weitere christliche Religionsgemeinschaften, darunter die Orthodoxen, Methodisten, Baptisten und die Heilsarmee.

Jüdische Gemeinden

Im Deutschen Reich wohnten 1933 etwa 530.000 Juden. Nach dem nationalsozialistischen Völkermord lebten nur noch wenige Tausend Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland. Heute sind annähernd 100.000 Menschen Mitglieder jüdischer Gemeinden. Hinzu kommen nach unterschiedlichen Angaben zwischen 40.000 und 80.000 Juden, die nicht Mitglieder der Gemeinden sind.

Viele Juden kamen in den letzten Jahren aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland. Die größte jüdische Gemeinde hat Berlin mit über 11.200 Mitgliedern, es folgen die Gemeinden in München mit 7.200 und Frankfurt am Main mit 6.600 Mitgliedern. Mit einem anhaltenden Mitgliederzuwachs ist zu rechnen. Traditionsreiche jüdische Gemeinden in Ostdeutschland wie die in Dresden und Leipzig können nach der deutschen Einigung wieder ein aktives Gemeindeleben entfalten.

Dachorganisation der jüdischen Gemeinden ist der Zentralrat der Juden in Deutschland, mit dem die Bundesregierung 2003 einen Vertrag über eine kontinuierliche und verlässliche Zusammenarbeit geschlossen hat.

Der Zentralrat unterstützt die Bundesregierung in Angelegenheiten der Zuwanderung und der Integration vor allem durch seine Zentralwohlfahrtsstelle der Juden, die sich der Sozial-, Jugend- und Seniorenarbeit widmet und eigene Integrationsprogramme durchführt. Zudem berät der Zentralrat der Juden in Deutschland die Zuwanderer beim Aufbau neuer Gemeinden. Zu seinen Aufgaben gehören auch die Vermittlung von Toleranz und die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus.

Aufgrund der besonderen historischen Verantwortung fördert der Staat zentrale Einrichtungen der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und betreut die Friedhöfe der ehemaligen jüdischen Gemeinden in Deutschland.

Muslimische Gemeinden

Durch die 7,3 Millionen in Deutschland lebenden ausländischen Mitbürger haben auch andere Religionsgemeinschaften stark an Bedeutung gewonnen. Das gilt besonders für den Islam. In Deutschland gibt es rund 3,2 Millionen Muslime aus 41 Nationen. Die größte Gruppe stellen die türkischen Muslime, gefolgt von Muslimen aus dem ehemaligen Jugoslawien, den arabischen Staaten und aus Süd- und Südostasien.

Mittlerweile sind viele muslimische Organisationen in Deutschland entstanden, die Moscheen betreiben und für die religiösen Belange ihrer Mitglieder Sorge tragen. Insgesamt ist jedoch nur eine Minderheit der 3,2 Millionen Muslime in Vereinen oder Verbänden organisiert.

Die Größte muslimische Organisation mit einer Vielzahl von Mitgliedsvereinen ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB). Als Zusammenschlüsse muslimischer Organisationen entstanden 1986 der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und 1994 der Zentralrat der Muslime in Deutschland. Der Islamrat wird mit seinen mehr als 30 Mitgliedsorganisationen von der als extremistisch eingestuften islamischen Gemeinschaft Milli Görüs dominiert, der Zentralrat vertritt mit 19 Mitgliedsorganisationen ein breites Spektrum unterschiedlicher Nationalitäten und Ausrichtungen. Insgesamt umfasst er kaum 200 Moscheen. Als muslimische Sondergruppe betrachtet man Aleviten, die mit knapp 100 Vereinen in der Föderation der Aleviten Gemeinden in Deutschland (AABF) organisiert sind.

In Deutschland hat längst der interreligiöse Dialog von Christen und Muslimen begonnen. Es ist eine Reihe lokaler und regionaler Christlich-Islamischer Gesellschaften entstanden. Schon 2003 kam es zur Gründung eines Koordinierungsrates der Vereinigungen des christlich-islamischen Dialogs in Deutschland.

Die Bundesregierung fördert den interreligiösen Dialog, unterstützt überregionale Forschungseinrichtungen, beteiligt sich an zahlreichen Dialogforen, sucht die Verständigung mit dialogorientierten islamischen Organisationen und bezieht diese in ihre Initiativen ein, so beim „Bündnis für Demokratie und Toleranz gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit.

Sekten

In Deutschland existiert auch eine unübersichtliche Vielfalt radikaler weltanschaulicher und religiöser Gruppen oder Sekten mit unterschiedlichen Prägungen und Färbungen. Schätzungen gehen von rund 400 solcher Organisationen aus. Nach Auffassung des Staates liegen die Grenzen der freien religiösen Betätigung dort, wo in Grundrechte anderer eingegriffen wird. Nach der Rechtsprechung darf der Staat vor Gefahren warnen und versuchen, Menschen von einer Mitgliedschaft in Sekten abzuhalten. Aufklärungsarbeit über Sekten leisten die beiden großen Kirchen, aber auch viele Privatinitiativen auf regionaler und kommunaler Ebene.

(gekürzt aus “ Tatsachen über Deutschland ”).

Wortschatz

das verbriefte Mitspracherecht - право решающего голоса, подтверждённое документом;

das Konkordat - конкордат (договор с Ватиканом);

Steuern einziehen - взимать, собирать налоги;

die Vollversammlung - пленум; общее собрание; генеральная ассамблея;

das Konzil - церковный собор;

an Entscheidungen mitwirken – сотрудничать, содействовать в принятии решений;

das karitative Engagement – благотворительная деятельность;

die Unfehlbarkeit - непогрешимость; безошибочность;

exkommunizieren - отлучать от церкви;

der anhaltende Mitgliederzuwachs - дальнейшее увеличение числа членов (общины);

kontinuierlich - непрерывный, последовательный;

die Zuwanderung - переселение (из другой страны, другого города), иммиграция;

Wohlfahrt, die – благотворительность, общественное вспомоществование;

Wohlfahrt beziehen (erhalten) – получать пособие благотворительных учреждений;

in die Wohlfahrt kommen – получать пособие;

Belange pl. - интересы, требования;

einbeziehen - включать; приобщать;

die Konfession – вероисповедание, вера, конфессия;

sich zu einer christlichen Konfession bekennen – признавать себя сторонником христианской веры;

das Abendmahl; die Kommunion – причастие;

das Bistum – епископство;

der Dom – собор;

die Kapelle – часовня;

die Moschee – мечеть;

das Erzbistum – архиепископство;

der Bischof епископ; der Erzbischof – архиепископ; der Weihbischof – викарный епископ, викарий;

die Heilsarmee – армия спасения;

das Jüngste Gericht – Страшный суд;

das Kloster – монастырь;

das Stift – 1) монастырь; 2) духовное училище (для девушек);

das Münster – кафедральный собор;

orthodox — православный.

Aufgaben

1. Beantworten Sie die Fragen:

1) Zu welchen Konfessionen bekennen sich die Deutschen? 2) Wie ist das Verhältnis zwischen Staat und Kirche? 3) Was unterstützt die Kirche, welche Hilfe leistet sie? 4) Wie sieht die Situation mit den muslimischen und jüdischen Organisationen in Deutschland aus? 5) Was meinen Sie: können die interreligiösen Dialoge zu Ergebnisen führen? 6) Welche Folgen können sie haben?

2. Ergänzen Sie die fehlenden Wörter in den Sätzen:

Im Grundgesetz sind …… ………….. ….. ……………. …. ……………. und des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses sowie die ungestörte Religionsausübung ………………… Die Landeskirchen wirken in der Kirchenkonferenz ……………………… mit. Beide ……….. ………… Kirchen haben durch ihr ……………… in Staat und Gesellschaft zum ……………. demokratischer Strukturen nach 1945 ……………… beigetragen. Die Bundesregierung ………….. den interreligiösen Dialog, unterstützt ………….. ………………, beteiligt sich an …………. ……………., sucht ……………… mit dialogorientierten islamischen Organisationen.

3. Wie verstehen Sie die Bedeutung folgender Ausdrücke:

ein verbrieftes Mitspracherecht, ein anhaltender Mitgliederzuwachs, die ungestörte Religionsausübung, an Bedeutung gewinnen, karitativ, das karitative Engagement, in der Entwicklungshilfe engagiert sein, exkommuniziert werden, ein aktives Gemeindeleben entfalten, die Dachorganisation, dialogorientiert sein. Erklären Sie die Semantik dieser Wörter und Wortverbindungen auf Deutsch. Führen Sie Synonyme an und stellen Sie Ihre eigenen Beispielsätze zusammen.

4. Erzählen Sie über Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland. Können Sie die Situation in Deutschland mit der Situation in Russland vergleichen, was die Religionen betrifft?

5. Erzählen Sie über Kirchen und Religionsgemeinschaften in Russland.

Verwenden Sie folgendes Sprachmaterial: In Russland bekennen sich... Menschen zu... Konfession; das Verhältnis zwischen Staat und Kirche ist...; der Staat beteiligt sich an...; die Kirchen sind berechtigt,...; die Kirche in Russland hat... beigetragen; die Tätigkeit der Kirche ist unersetzbar in...; die Regierung unterstützt (nicht)...; in Russland existiert auch...; nach Auffassung des Staates...; Aufklärungsarbeit über... leisten...

6. Welche Rolle spielt die Religion im Leben der Menschen? Kann sie das Leben eines Menschen beeinflussen? Welche Probleme entstehen, wenn es verschiedene Religionen im Land gibt?

7. Übersetzen Sie ins Deutsche:

1) В Конституции Германии гарантированы свобода вероисповедания, свобода совести и мировоззрения. 2) Государство участвует в финансировании определенных направлений церковного представительства, таких как детские сады и школы. 3) Церкви уполномочены снимать налоги со своих членов. 4) Католическая церковь в Германии разделена на 7 архиепископств и 20 епископств. 5) Социальная и благотворительная деятельность церквей – значимая составная часть общественной жизни. 6) Самая крупная еврейская община находится в Берлине, включая в себя 11.200 членов, следующие по величине общины в Мюнхене (7.200) и во Франкфурте-на-Майне (6.600). 7) Более 20 лет назад в Германии начался первый межрелигиозный диалог между христианами и мусульманами.

8. Lesen Sie einige Sprüche über den Glauben. Wie verstehen Sie sie? In welchem Kontext können diese Aussagen verwendet werden?

Wo Glaube, da Liebe;

wo Liebe, da Friede;

wo Friede, da Gott;

wo Gott, da keine Not (unbekannter Autor).

Der Glaube versetzt Berge (unbekannter Autor).

Denken ist eine Anstrengung,

Glauben ist Komfort (unbekannter Autor).

Wo das Leid ist, da kommen leicht auch die Liebe und der Glaube (österreichischer Schriftsteller Peter Rosegger).

Viele glauben nichts, aber fürchten alles (deutscher Dramatiker Christian Friedrich Hebbel).

Niemand ist so abergläubisch, dass er das 13. Monatsgehalt zurückweist (einer der bekanntesten Moderatoren Norddeutschlands Lutz Ackermann).

9. Beschreiben Sie Situationen, in denen diese Sprüche passen würden.

10. Lesen Sie den Text “Religion und Kirchen in Deutschland. Glaube ohne Kirche”, formulieren Sie das Problem, das im Text beleuchtet wird und die Gründe, die zu diesem Problem geführt haben.


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