Meinungsbildungsfunktion

Bei der Meinungsbildung fällt den Massenmedien ebenfalls eine bedeutsame Rolle zu. Dies ergibt sich aus der Überzeugung, in der Demokratie sei allen am meisten damit gedient, wenn Fragen von öffentlichem Interesse in freier und offener Diskussion erörtert werden. Es besteht dann die Hoffnung, dass im Kampf der Meinungen das Vernünftige die Chance hat, sich durchzusetzen. Auch hier ist natürlich wieder zu bedenken: Die Meinungen, die sich bilden und beispielsweise in politischen Gesprächen formuliert werden, kommen nicht in erster Linie auf Grund von Wirklichkeitserfahrung, sondern auf Grund von Wirklichkeitsvermittlung durch die Medien zustande.

In der politischen Praxis sind die Möglichkeiten, am Meinungsbildungsprozess teilzunehmen, recht unterschiedlich verteilt. Die in den Parlamenten vertretenen Parteien, die Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmerverbände und andere Organisationen haben bessere Aussichten, in den Massenmedien Beachtung zu finden als ethnische, religiöse und politische Minderheiten - dies behaupten vor allem jene, die sich Minderheiten zurechnen. Sie argumentieren weiter: Die Standpunkte der ohnehin schon Mächtigen würden herausgestellt, die Meinungen von Minderheiten blieben unberücksichtigt; infolge dieses Ungleichgewichts würden die bestehenden Machtverhältnisse zementiert, und es kämen neue und abweichende Meinungen gar nicht erst in die Öffentlichkeit. Um dies zu verhindern, sei ein "anwaltschaftlicher Journalismus" notwendig, der es sich zur Aufgabe mache, gerade auch die Interessen der Machtlosen im allgemeinen Meinungsbildungsprozess zur Geltung zu bringen.

Kritiker des "anwaltschaftlichen Journalismus" argumentieren demgegenüber: Publizistische Gerechtigkeit wird nicht dadurch hergestellt, dass Minderheiten der Gesellschaft in den Mittelpunkt rücken, weil dann jene, die über die Schlüsselpositionen verfügen, an die Ränder gedrängt werden.

Da in einer modernen, differenziert strukturierten Gesellschaft eine Vielzahl von mehr oder weniger großen, zum Teil in Konkurrenz zueinander stehenden Interessengruppen existiert, gehört es auch zu den Aufgaben der Massenmedien, diesen Meinungspluralismus in einem angemessenen Verhältnis widerzuspiegeln.

Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob Minderheiten in den Medien mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde als Mehrheiten, haben sich beispielsweise Ende der sechziger Jahre bei der Fernsehberichterstattung über die Außerparlamentarische Opposition, in den siebziger Jahren bei der Behandlung von Bürgerinitiativen gegen Kernkraftwerke und in den achtziger Jahren bei Berichten über die Friedensbewegung und die Grünen ergeben. Dabei darf nicht vergessen werden: Aus Minderheiten können auch Mehrheiten werden. In Leipzig und Ost-Berlin gingen im Oktober 1989 zunächst nur einige, später sehr viele Menschen auf die Straße - ein Umschwung, bei dem sicherlich vor allem auch die Resonanz, die das Thema in der westlichen TV-Berichterstattung fand, eine Rolle gespielt haben dürfte, eine Rolle, die häufig nur von jenen, die damals die Herrschaft verloren, negativ bewertet wird.

 


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