Rettung

Das Hexen-Einmaleins

Johann Wolfgang von Goethe

Du musst verstehn!
Aus Eins mach Zehn,
Und Zwei lass gehn,
Und Drei mach gleich,
so bist du reich.
Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs -
So sagt die Hex -
Mach Sieben und Acht,
So ists vollbracht:
Und Neun ist Eins,
Und Zehn ist keins,
Das ist das Hexen-Einmaleins!

Beherzigung

Ach, was soll der Mensch verlangen?
Ist es besser, ruhig bleiben?
Klammernd fest sich anzuhangen?
Ist es besser, sich zu treiben?
Soll er sich ein Häuschen bauen?
Soll er unter Zelten leben?
Soll er auf die Felsen trauen?
Selbst die festen Felsen beben.

Eines schickt sich nicht für alle!
Sehe jeder, wie er's treibe,
Sehe jeder, wo er bleibe,
Und wer steht, dass er nicht falle!

Rettung

Mein Mädchen ward mir ungetreu,
Das machte mich zum Freudenhasser;
Da lief ich an ein fließend Wasser,
Das Wasser lief vor mir vorbei.

Da stand ich nun, verzweifelnd, stumm,
Im Kopfe war mir's wie betrunken,
Fast wär' ich in den Strom gesunken,
Es ging die Welt mit mir herum.

Auf einmal hört' ich was, das rief -
Ich wandte just dahin den Rücken -
Es war ein Stimmchen zum Entzücken:
"Nimm Dich in acht! Der Fluss ist tief."

Da lief mir was durchs ganze Blut,
Ich seh', so ist's ein liebes Mädchen;
Ich fragte sie: "Wie heißt Du?" "Kätchen!"
"O schönes Kätchen! Du bist gut.

Du hältst vom Tode mich zurück,
Auf immer dank' ich Dir mein Leben;
Allein das heißt mir wenig geben,
Nun sei auch meines Lebens Glück!"

Und dann klagt' ich ihr meine Not,
Sie schlug die Augen lieblich nieder;
Ich küsste sie, und sie mich wieder,
Und - vor der Hand nichts mehr vom Tod.

Trost in Tränen

Wie kommts, daß du so traurig bist,
Da alles froh erscheint?
Man sieht dirs an den Augen an,
Gewiß, du hast geweint.

»Und hab ich einsam auch geweint,
So ists mein eigner Schmerz,
Und Tränen fließen gar so süß,
Erleichtern mir das Herz.«

Die frohen Freunde laden dich,
O komm an unsre Brust!
Und was du auch verloren hast,
Vertraure den Verlust.

»Ihr lärmt und rauscht und ahnet nicht,
Was mich, den Armen quält.
Ach nein, verloren hab ichs nicht,
So sehr es mir auch fehlt.«

So raffe denn dich eilig auf,
Du bist ein junges Blut.
In deinen Jahren hat man Kraft
Und zum Erwerben Mut.

»Ach nein, erwerben kann ichs nicht,
Es steht mir gar zu fern.
Es weilt so hoch, es blinkt so schön,
Wie droben jener Stern.«

Die Sterne, die begehrt man nicht,
Man freut sich ihrer Pracht,
Und mit Entzücken blickt man auf
In jeder heitern Nacht.

»Und mit Entzücken blick ich auf,
So manchen lieben Tag;
Verweinen laßt die Nächte mich,
Solang ich weinen mag.«

Johann Wolfgang von Goethe

Lebensregel Willst du dir ein hübsch Leben zimmern, Mußt dich ums Vergangne nicht bekümmern, Das Wenigste muß dich verdrießen; Mußt stets die Gegenwart genießen, Besonders keinen Menschen hassen Und die Zukunft Gott überlassen. Johann Wolfgang von Goethe
 

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