Text 6. Kaugummi: eine Masse verklebt die Welt

 

In der Schweiz werden 430 Gramm Kaugummi pro Kopf und Jahr konsumiert. Trotz wilder Gerüchte ist des Teenagers liebste Sucht gänzlich ungefährlich. Ärger erregt die klebrige Masse aber auf Hosenboden, unter Tischplatten und in Schulzimmern.

Während des Zweiten Weltkrieges haben die amerikanischen Soldaten den Kaugummi in Europa populär gemacht. Mehr als Marlboro und Hamburger stand der Chewing Gum für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Und auch heute noch wird Kaugummi als jung, fei und cool verkauft.

In den USA geht proportional beinahe sechsmal mehr Kaugummi über den Ladentisch als in der Schweiz. Ob die breite Aussprache des Amerikanischen vom gleichzeitigen Kauen und Sprechen herrührt, darf bezweifelt werden, als Kaugummi –Englisch wird es aber dennoch oft betitelt.

Wie fest nun der Kaugummi in der Schweizer Gesellschaft verankert ist, untersuchten die beiden angefressenen Appenzeller Kauer Reto Baumberger und Markus Seeger in einer von „Schweizer Jugend forscht“ ausgezeichneten Arbeit. Dank einem breit angelegten Fragebogen kamen die beiden Kantonsschüler zu interessanten Resultaten. Junge bis 25 kauen zu über 95 Prozent, wohingegen fast die Hälfte der über 30jährigen abstinent ist.

Zwei Drittel der Konsumenten entsorgen den ausgezehrten Kaugummi im Abfalleimer, zehn Prozent schlucken ihn hinunter, und ein Fünftel wirft ihn nach Gebrauch auf die Straße. Bei einem Verbrauch pro Jahr von 2 600 Tonnen könnte man mit diesem Fünftel ein Fußballfeld sieben Zentimeter dick pflastern. Dieses nachlässige Entsorgungsverhalten führt zu einem schlechten Image der süßen Gummimasse, die mühsam von Trottoirs und Schulbänken gekratzt werden muss. Bei Kaugummi auf Kleidern empfiehlt es sich, diese in den Tiefkühler zu legen und den durch die Kälte spröde gewordenen Fremdkörper dann abzulösen.

Wer Kaugummi hinunterschluckt, muss sich die Gerüchte, dass dieser sieben Jahre im Magen bleibe, nicht erschrecken lassen. Dieser kann nämlich ganz normal verdaut und ausgeschieden werden. Der Kiefer von häufigem Kauern erleidet ebenso wenig Schaden wie gefährliche Magensäure freigesetzt wird. Doktor Thomas Imfeld vom Zahnmedizinischen Institut in Zürich lässt alle diese Schauermärchen über den Kaugummi ins Leere laufen, aber: „Wenn ein Kaugummi in die Lunge kommt, muss man sofort zum Arzt gehen und ihn herausnehmen lassen. Das Ganze ist zwar ziemlich unangenehm, sterben wird man daran jedoch nicht so schnell.“ In Deutschland gab es aber dennoch einen Fall, in dem ein junger Fußballer an einem Kaugummi erstickt ist. Zur Frage, ob Kauen appetithemmend oder –fördernd sei, meint Imfeld: „Kauen wird im Gehirn mit Essen gleichgesetzt, zudem wirkt der zusätzliche Speichel appetitstimulierend. Der Effekt ist jedoch nicht groß.“ Zuckerlose Kaugummis sind zwar der Zahnpflege dienlich, das Zähneputzen ersetzen sie jedoch nicht. Entsprechende Versuche hatte man in den sechziger Jahren durchgeführt, um in der Apollo-Raumfähre Platz einzusparen. Funktioniert hat es aber nicht.

Raucher kauen wie verrückt, wenn sie vom blauen Dunst wegzukommen versuchen, um wenigstens etwas im Mund zu haben, Jimi Hendrix trat aus Nervosität ausschließlich mit Kaugummi auf die Bühne – und hübsche Blasen kann man damit auch machen. Die meiste der in der Appenzeller Studie befragten Schweizer kauen aber aus trivialeren Gründen: Ein Drittel, um den Mundgeruch zu vertreiben, ein anderer Drittel aus Zeitvertreib. Beat Brunner, Züricher Blatt, 1998.

 


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